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Ausstellung im Stadtmuseum Conradtyhaus: Rosen, Tulpen, Nelken ... (20.05.2022)

Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken, nur die eine nicht, die heißt Vergissmeinnicht

Flotte Sprüche, zu Herzen gehende Reime, dazu jede Menge selbst gefertigte Malereien und eingeklebte Glanzbildchen – das macht so ein Poesiealbum aus. 

Die Tradition, derartige Büchlein zu führen ist erstaunlich alt, sie stammt aus dem 16. Jahrhundert. Das frühe Poesiealbum hieß damals noch Stammbuch. Man nannte es auch „album amicorum – „Album der Freunde“. Die Alben dienten dem Adel dazu, sich anlässlich von Turnieren, höfischen Festen oder politischen Versammlungen auszuweisen. Den darin enthaltenen Geschlechterwappen wurden im Laufe der Zeit Sprüche hinzugefügt.

Später wurde das Stammbuch hauptsächlich von Studenten aus gutem Hause geführt. Das Sammeln von klugen Sprüchen ihrer oft berühmten Lehrer erfüllte dabei nicht nur eine Erinnerungsfunktion, sondern diente auch als Empfehlung für ein Studium  an einer anderen Universität. Neben frommen Freundschaftssprüchen finden sich in älteren Alben auch sinnesfrohe Sprüche wie z.B. „Wer mit Jungfern in dem Bette nicht kann spielen um die Wette, der stelle nur das Freien ein, will er nicht gehörnet sein“.

Anfang des 19. Jahrhunderts kam das Stammbuch bei den Studenten langsam außer Mode. 

Dafür ging das Poesiealbum, das bisher reine Männerdomäne war, Ende des 19. Jahrhunderts langsam in Frauenhände über. Gebundene Alben ersetzten das lose Blätterwerk der Stammbücher. Die Sprüche wurden an die damalige weibliche Lebenswelt angepasst: Gute Wünsche, Versicherungen des ewigen Andenkens und Ermahnungen zur Tugendhaftigkeit versah man mit Glanzbildern und romantischen Ornamenten.

Zunächst war das Poesiealbum der wohlerzogenen Tochter des Bürgertums vorbehalten; doch bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauschten auch Bauern- und Arbeitertöchter Erinnerungsbücher aus. 

Im Wesentlichen sind die Inhalte der Poesiesprüche bis heute gleich geblieben: stereotype, unpolitische Lebensratschläge und Freundschaftsbekundungen. Manchmal allerdings spiegeln sie auch den Zeitgeist wieder. Da sprechen die Verse und die damit vermittelten Werte eine eindeutige Sprache von Mutterliebe oder Heimattreue. Während des Dritten Reiches blieben selbstverständlich auch Poesie-Eintragungen nicht vor Propaganda gewahrt.

Beispiele hierfür finden Sie in der Ausstellung

Mehr oder weniger ernst gemeinte Ratschläge wurden um die Zeit der 68 er eingetragen:

„Julia, Julia, sei so schlau und werde niemals Ehefrau“

„Erst nimmst du seine Rose, dann bügelst du seine Hose“

Die Sprüche sind meist naiv oder am Rande des Kitsches. Wenn man etwas älter ist, wundert man sich, was da alles reingeschrieben wurde. Allerdings muss man die Sprüche dabei nicht so ernst nehmen. Wichtig ist der soziale Hintergrund: Es ist ein Freundschaftsritual, bei dem man auf andere zugehen muss. Manche dieser Freundschaften halten ein Leben lang.

Lack- und Glanzbildchen verwandeln die Alben in kleine Gärten und Schmuckstücke. Manchmal wurden auch interaktive Elemente eingefügt: umgeknickte Ecken, unter denen sich ein weiteres Bildchen oder ein kleiner Text verbergen.

Poesiealben sind aber ein „Mädchending“ geblieben. Die kleinen Bildchen und Herzchen passen nicht zu Jungs.  Das ist ihnen zu gefühlsdusselig.

In den späten 80ern bekam das Poesiealbum Konkurrenz durch das so genannte Freundschaftsbuch. Auf vorgefertigten Seiten tauschen sich Schüler und Schülerinnen über ihren Berufswunsch, ihr Lieblingstier, Vorbilder oder Songs aus. 

Und die sozialen Medien lösen ihrerseits nun wieder die Freundschaftsbücher ab und wandeln sich von Buchzeugnissen in ein digitales Erbe. Dieses besteht aber nicht sehr lang, es ist schnelllebig und verschwindet meins nach kurzer Zeit ohne nennenswerten Erinnerungswert. 

Anders als diese kleinen, farbigen Büchlein mit denen man sich auch nach vielen Jahrzehnten noch erinnert…

Die ältesten Einträge in unserer Ausstellung sind Stammbucheinträge aus dem späten 18. Jahrhundert. Sie wurden uns als Fotos vom Museum Brandenburg an der Havel zur Verfügung gestellt.

Die ältesten Röthenbacher Poesiealben liegen uns aus der Zeit um 1900 vor.

 



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